Konzerthaus München

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Klangspeicher – Kathedrale – Musiktempel

Mit diesen Worten präsentierte Anton Nachbaur bei der Siegervorstellung den Entwurf des Architekturbüros Cukrowicz-Nachbaur aus Bregrenz, das den ersten Preis bekommen hatte.

Bei dem Architekturwettbewerb waren 31 Entwürfe von Architekten aus der ganzen Welt eingereicht worden, ein 25-köpfiges Preisgericht, unter ihnen Vertreter des bayerischen Kabinetts wie Innenminister Joachim Herrmann, Finanzminister Markus Söder, Kultusminister Ludwig Spaenle, der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter, die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk, der Intendant des Bayerischen Rundfunks Ulrich Wilhelm sowie einige weitere Architekten hatten sich mit nur einer Gegenstimme für diesen Entwurf entschieden, den der Juryvorsitzende Arno Lederer als zurückhaltend und ausdrucksstark bezeichnete. Darüberhinaus standen den Preisrichtern über 30 Berater und Sachverständige zur Seite.

Das Gebäude soll ein Konzertsaal von Weltklasse auf Spitzenniveau werden. Die Musiker wünschen sich jetzt, dass auch die Akustik auf höchstem Niveau sein wird. Die Hauptbetroffenen, das Management sowie das Orchester des Bayerischen Rundfunks und sein Chefdirigent Mariss Jansons sind mit dem Ergebnis ausgesprochen zufrieden. In ihren Augen ist der Entwurf originell, spannend und hochfunktional. Es handelt sich bei dem Konzertsaal um ein hochkomplexes Projekt, das den Ansprüchen der Musiker hinter der Bühne und denen des Publikums vor der Bühne gerecht werden muß.

Das Gebäude ist 45 Meter hoch, wobei nur 26 Meter erlaubt gewesen wären, eine Tatsache, die sich jedoch regeln läßt. Aber nur mit dieser Höhe ist gewährleistet, dass es seine markante städtebauliche Wirkung entfalten und zugleich Leichtigkeit ausstrahlen kann. Das Bauwerk soll, so die Architekten, an industrielle Speicherbauten erinnern und der Mittelpunkt eines neu entstehenden Stadtteils auf dem Grund des sog. Werksviertels als auch ein weiteres Wahrzeichen Münchens werden. Eine Assoziation zu Hamburgs Elbphilharmonie ist für den Betrachter naheliegend!

Ein Konzerthaus auf Spitzenniveau für Spitzenorchester! Darüberhinaus wird es das Stammhaus  bzw. neue Heimat für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Das neue Konzerthaus soll zwei Konzertsäle, einen großen und einen kleinen, beherbergen mit insgesamt 2400 Plätzen (1800 und 600). Der große wird nach dem Schuhschachtelprinzip mit einem Rechteck vor der Bühne und ansteigendem Parkett sowie drei umlaufenden Rängen (Weinbergprinzip), von denen 20% hinter dem Orchester verlaufen, gebaut.

Das hintere Drittel des langgestreckten siebengeschossigen Baus ist für Probenräume, Stimmzimmer, Büros, Künstlergarderoben und Kantine reserviert. Die öffentlich zugänglichen Räume erschliessen sich von der Eingangsfront aus. Im Erdgeschoß werden Läden und ein Café untergebracht werden.

Das Foyer nimmt die gesamte Breite ein und erstreckt sich hinter der doppelten Glasfassade bis hinauf in den sechsten Stock. Die Stockwerke werden durch je zwei im Zentrum angebrachte Rolltreppen verbunden.

In den nächsten Wochen sollen die Entwürfe der ersten fünf Preisträger in Bezug auf ihre Realisierung geprüft werden um dann zu entscheiden, wer den Zuschlag wirklich bekommt.

Akustik, Statik und die angepassten Entwürfe: all diese Faktoren werden in die Kostenplanung einfliessen. Derzeit wird von einem Kostenrahmen von 370 Millionen Euro gesprochen.

Der Baubeginn soll voraussichtlich im Frühjahr 2018 sein.

Wie zu erwarten war, sind die Reaktionen in der Bevölkerung und in den sozialen Medien sehr konträr: viele sind begeistert in jeglicher Hinsicht, andere sind enttäuscht. Kein Bauwerk hat in so kurzer Zeit so viele Spitznamen erhalten: von „Schneewittchensarg“ über „Eisklotz“ bis „Seehofers Gewächshaus“ ist alles dabei, Auch der Standort wirft viele Fragen auf. Es bleibt abzuwarten, wie sich alles entwickelt und darstellt, wenn der Bau abgeschlossen ist.

Geschichte

Bis zum heutigen Zeitpunkt, an dem München sich auf ein neues Konzerthaus freuen darf, sind rund 15 Jahre vergangen. So lange wurde gestritten und diskutiert, ob München überhaupt solch ein Prestigeobjekt braucht oder nicht und wenn ja, an welchem Standort und unter welchen Bedingungen. 40 Standorte standen zur Diskussion. Im Jahr 2015 wurde durch Ministerpräsident Horst Seehofer und Oberbürgermeister Dieter Reiter der Beschluss gefaßt, den Gasteig umzubauen und zu sanieren. Eine Entscheidung, die auf vielfältige Kritik stieß  – die Angelegenheit war jedoch bald vom Tisch. Der Beschluss, dass der Gasteig grundlegend saniert werden soll, hat jedoch Bestand und soll zeitnah umgesetzt werden! Max Wagner, der Chef des Gasteigs will 2020 mit dem Bau des Ausweichquartiers in Sendling beginnen, 2021 das Neujahrskonzert dort spielen und 2025 in das Gasteig welches dann in neuem Glanz erstrahlen soll, zurückkehren!

Noch im gleichen Jahr entschied sich der Freistaat Bayern, das Konzerthaus auf dem Grundstück des Privatmannes Werner Eckart, der das Gelände dem Freistaat mit Erbbaurecht zur Verfügung stellte, zu bauen. Das Gelände befindet sich südöstlich des Münchner Ostbahnhofs im Werksviertel im Stadtbezirk 14 in Berg am Laim, das sich in Zukunft  grundlegend wandeln wird.

Das Werksviertel

Das Werksviertel ist ein 4 ha großes hinter dem Ostbahnhof gelegenes Areal, das bereits eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat. Aktuell soll auf dem Gelände ein ganz neues Stadtviertel entstehen – im Zentrum das neue Konzerthaus. Werner Eckart, der Enkel des Firmengründers der Firma Pfanni, mit der alles begann, und Erbe, hat eine Vision: mitten in der Stadt soll ein neues Quartier entstehen zum leben, wohnen und arbeiten sowie mit vielen Freizeitmöglichkeiten – für Menschen jeden Alters, für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel.

Auf dem ehemaligen Industrieviertel waren ehemals die Firmen Pfanni, Zündapp, Optimol und Konen, später Rohde und Schwarz. Die Medienbrücke und das Werk 3 sind nun die Vorboten der neuen Entwicklung. Zwischenzeitlich war die Industriebrache durch den Kunstpark Ost sowie die Kultfabrik ein beliebter Ort und Anziehungspunkt für die Münchner und vor allem für die Jugend. Auch viele Künstler haben sich hier niedergelassen und eingerichtet, stellvertretend sei hier nur der weltberühmte Graffiti-Künstler Loomit genannt.

Im neuen Quartier wird es ein eigenes Versorgungsnetz geben, Werner Eckart will auch im wesentlichen die alten Gebäude erhalten, da sie seiner Ansicht nach das Stadtviertel prägen bzw. seine Seele sind, die nicht zerstört werden darf! Vergangenheit und Zukunft verbinden sich um Neues entstehen zu lassen. Zudem waren auf dem Gelände in früherer Zeit Ziegeleien beheimatet, mit deren Ziegeln u.a. die Münchner Frauenkirche gebaut wurde.

1200 Wohnungen und zwei Hotels sollen dort gebaut sowie 7200 Arbeitsplätze angeboten werden: jedes Alter soll zu seinem Recht kommen – ein Ort der Extreme bzw. der Begegnung im umfassendsten Sinn soll sich hier entfalten. Nicht zuletzt will Eckart ein Zeichen gegen die um sich greifende Gentrifizierung setzen und das Werksviertel soll somit kein Projekt für Investoren sein! Eine gute Verkehrsanbindung ist durch den Münchner Ostbahnhof garantiert.

Das von den Münchnern lang ersehnte Konzerthaus wird als kulturelles Herz im Quartier hinter dem Ostbahnhof schlagen. Es kann dort eine Symbiose eingehen mit einem vielfältigen divergenten künstlerischen Umfeld. Symbiose und Vielfalt bieten auch immer die Chance für neue Entwicklungen!

Viele Münchner hätten sich sicher einen anderen Standort für das neue Konzerthaus gewünscht, vorzugsweise in der Innenstadt in unmittelbarer Nähe zu den anderen Konzertsälen, zur Oper und ähnlich wichtigen kulturellen Institutionen.

Ein Blick in die Geschichte jedoch zeigt, dass so manches relevante Bauwerk seinerzeit vor den Toren der Stadt entstand und in einer Umgebung, die dem Zweck nicht unbedingt angemessen erschien: das Prinzregententheater z.B. in einer damals noch bäuerlichen Umgebung, ebenso das Gärtnerplatztheater; die Oper wurde zu einem Zeitpunkt gebaut, als München rund 50.000 Einwohner hatte und das Wachstum der Stadt nicht vorherzusehen war und man kann im Rückblick sagen, dass all diese Bauten wie eine Initialzündung für die Entstehung bzw. Weiterentwicklung der jeweiligen Stadtteile gewirkt haben.

München bekommt ein neues Konzerthaus in einem ungewöhnlichen, vielversprechenden neuen Stadtteil – wir dürfen gespannt sein! Die Zukunft hat schon begonnen!

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Harriet von Behr
Harriet von Behr ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete während und nach dem Studium für mehrere Verlage im Lektorat. Aktuell schreibt sie u.a. für TheMan Artikel zu den verschiedensten Themen.
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